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Kolumbien

Besucht

Juni-Juli 1988

Die Suche nach Eldorado

Vor Kolumbien hatten wir seinerzeit den meisten Respekt, galt es doch als das gefährlichste Land Südamerikas. Tatsächlich kamen wir auch nicht ganz ungeschoren davon, aber vor Ort war es dann lange nicht so schlimm wie befürchtet.

Kolumbien hat aber auch viel zu bieten: Grandiose Landschaften, ursprüngliche Dörfer, prächtige Kathedralen und die Relikte einer jahrtausendealten Hochkultur, die erst im 16. Jahrhundert n.Chr. von der Bildfläche verschwand.

Die Legende von Eldorado, nach der jeder Herrscher der Muisca bei seinem Amtsantritt Gold für den Sonnengott im See von Guatavita (nahe Bogotá) opferte, war eine der Triebfedern für die Eroberung Südamerikas durch die spanischen Konquistadoren. Als Beleg für den Wahrheitsgehalt der Legende gilt das Goldfloß, das 1969 in der alten Muisca-Siedlung Pasca von Bauern entdeckt wurde und heute im Museo del Oro in Bogotá ausgestellt ist.

Steinskulpturen der San-Agustín-KulturSteinskulpturen der San-Agustín-Kultur

Das Goldfloß von El DoradoDas Goldfloß von El Dorado

 

Nur Lügner und Betrüger

Ein Deutscher hatte uns bereits gewarnt: „In Cúcuta gibt es nur Lügner und Betrüger!“. Er war selbst acht Jahre zuvor in Kolumbien ausgeraubt worden, ist dann in Venezuela hängengeblieben und hatte mittlerweile Frau und Kinder.

Unser Grenzübertritt von San Cristóbal nach Cúcuta in Kolumbien stand von vornherein unter keinem guten Stern. Wir waren mit Uli und Peter – einem deutsch-schweizer Pärchen – unterwegs und der Taxifahrer brachte uns zügig über die internationale Brücke zur kolumbianischen Grenzstation. Für den Einreisestempel brauchte man aber einen venezolanischen Ausreise-Eintrag im Pass, und den bekam man nicht an der Grenze. Da der (kolumbianische) Taxifahrer sich weigerte, nochmal die 10 Blocks zurückzufahren, mussten wir ein neues Taxi nehmen und uns damit die Stempel holen.

Bushaltestelle in KolumbienBushaltestelle in KolumbienIm Busbahnhof von Cúcuta ging’s chaotisch zu, ständig fragte wer, wohin man will, wollte uns in ein „Office“ führen und Fahrkarten verkaufen und warnte eindringlich vor Überfällen. Wir fragten einen Ladenbesitzer und saßen kurz darauf zu viert im richtigen Bus, letzte Reihe, die Rucksäcke sicher hinter uns verstaut. Dann erklärte uns einer, die Rucksäcke müssten auf’s Dach, was wir strikt ablehnten. Schließlich kam jemand und fragte, ob wir die Bargeldversicherung für Überfälle schon abgeschlossen hätten, die wäre kostenlos und verpflichtend für die Busfahrt.

Wir glaubten zwar kein Wort, aber entnervt wie wir waren kamen wir zu dem Schluss, das es auch nicht schaden könnte, und Peter und ich gingen mit in ein „Büro“, wo nette Kolumbianer uns einen Versicherungsschein ausstellten. Die Versicherung gelte aber nur für Devisen, und wir müssten den Betrag deklarieren. Peter hatte keine dabei, ich gab 600 US$ an, die ich vorweisen und dem Angestellten zum Nachzählen reichen musste.

Ich ließ seine Hände unmittelbar vor mir keine Sekunde aus den Augen, obwohl die anderen um uns herum alles taten, um mich abzulenken. Er verzählte sich zweimal, dann gab er mir die Scheine zurück und bedankte sich freundlich. Wir sollten das Geld aber nicht in Brustbeutel oder ähnlichem transportieren, sondern „in so einem Plastikbeutel“ (er gab uns einen) und diesen am besten in die Socke stecken, da wäre es sicherer. Ich folgte dem Rat, wir wurden von allen Anwesenden freundlich verabschiedet, gingen zurück in den Bus, und dieser fuhr dann auch sogleich los.

Delikatesse: Kandierte Ameisen in einem Laden in BogotáDelikatesse: Kandierte Ameisen in einem Laden in Bogotá

Als wir aus Cúcuta herausfuhren, dachte ich mir „So ein Blödsinn!“, zog meine Schuhe und die Socke aus und holte das Geld wieder aus dem Beutel. Bevor ich es dann im Bauchgurt verstaute, zählte ich es gewohnheitsmäßig nochmal nach. Es fehlten zwei 100-Dollar-Scheine!

Ich ärgerte mich natürlich über meine Dummheit. Aber ich konnte dem „Versicherungsagenten“ einfach nicht böse sein, vielmehr zog ich gedanklich meinen Hut vor seinem handwerklichen Geschick und seiner Kunst. Es ist mir immer noch schleierhaft, wie er es wenige Zentimeter vor meinen Augen geschafft hat, 2 Scheine verschwinden zu lassen.

 

Taschendiebe in Ibagué

Wir waren in Ibagué, einem Städtchen 200 km westlich von Bogotá, das nicht wirklich sehenswert war. Immerhin fand gerade das „1. Folklore-Festival“ statt, es gab geschmückte Karnevalswagen und Tanzvorführungen, einige Musikgruppen machten mit ihren Blechinstrumenten einen Höllenlärm.

Folklore-Festival in IbaguéFolklore-Festival in Ibagué

Seit meiner Dummheit in Cúcuta war ich sensibi-lisiert gegen Diebstähle jeder Art, und Anette gestand meinem Geldbeutel nur noch Bargeld-vorräte bis umgerechnet maximal 10 US$ zu.

Ich stand zwischen den Zuschauern in erster Reihe und machte Fotos von einem Umzug der Schön-heitsköniginnen, als es um mich plötzlich eng wurde. Reflexartig zuckte meine Hand zu meiner Hosentasche. Der Geldbeutel war noch da, aber einige Hände befanden sich in verdächtiger Nähe.

Ich drehte mich kurz zu Anette um und rief „Ich muss hier weg, es wird zu eng!“ Als ich 2 Sekunden später wieder an die Hosentasche griff, war sie leer. Sofort wollte ich den Dieb neben mir festhalten, erblickte aber nur zwei gebrechliche Omas in gehobenem Alter links und rechts von mir. Ich schaute mich nochmal um und überlegte kurz, ob ich die packen sollte – da waren die beiden auch schon in der Menge verschwunden.

Nun, der finanzielle Verlust hielt sich sehr in Grenzen, und dieses Erlebnis war das Geld jedenfalls wert.

 

Öffentlicher Nahverkehr auf dem LandÖffentlicher Nahverkehr auf dem Land

Auf dem Weg nach TierradentroAuf dem Weg nach Tierradentro